
Veröffentlicht am 30. Januar 2025
Ing. Wolfgang Renner
Kordonerziehung mit Zapfenschnitt: Präventive Maßnahme gegen Spätfrost?
Die Etablierung der Kordonerziehung mit Zapfenschnitt verfolgt im Wesentlichen drei Ziele:
- Reduktion von Esca durch einen wundenarmen Rebschnitt
- Arbeitszeitersparnis durch eine Teilmechanisierung des Rebschnittes (Vorschnitt)
- Reduktion von Schäden durch Spätfröste
Seit dem Vegetationsjahr 2013 werden in der Versuchsanstalt Haidegg auf zwei Standorten die Systeme Flachbogenerziehung (Guyot) und Zapfenschnitt bei acht verschiedenen Rebsorten verglichen.
Bei der Kordonerziehung mit Zapfenschnitt geht es darum, einen Kordon und je nach Stockabstand fünf bis sieben Konusse aus altem Holz zu entwickeln. Im Zuge des Rebschnittes wird jeder Konus auf einen Zweiaugen-Zapfen zurückgeschnitten, sodass in Summe 10 bis 14 Augen pro Rebstock übrigbleiben können. Im Winter wird nur ein Vorschnitt auf eine Länge von vier bis sechs Augen durchgeführt – optimalerweise mit dem maschinellen Vorschneider. Der exakte Hauptschnitt erfolgt erst nach dem Austrieb. Durch die Apikaldominanz werden die Basisaugen des einjährigen Holzes von den bereits an- und ausgetriebenen Augen im oberen Bereich im Austrieb gehemmt. Der Austrieb der Basisaugen kann sich so um ein bis zwei Wochen verzögern und vielleicht das Spätfrostrisiko minimieren? Der starke Spätfrost im April dieses Jahres bot die Möglichkeit, dieser Frage genauer nachzugehen. Auf den am stärksten betroffen Lagen stehen die Sorten Weißburgunder, Welschriesling und Blauer Wildbacher. Hier waren beim Zapfenschnittsystem tatsächlich signifikant weniger abgefrorene Haupttriebe festzustellen. Eine Gescheinszählung bei der Sorte Weißburgunder ergab ebenfalls eine signifikant höhere Anzahl als bei der Kontrollvariante (Flachbogen). Traubenzählungen kurz vor der Ernte ergaben beim Welschriesling ebenfalls deutlich höhere Zahlen beim Zapfenschnitt (13 Trauben pro Rebstock) im Vergleich zu 6 Trauben bei der Flachbogenerziehung! Um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, müssen die definitiven Ernteergebnisse des heurigen Jahres aber erst abgewartet werden!
Im Allgemeinen entsteht bei korrekter Laubarbeit kein Laubdickicht mit dem Zapfenschnitt-System. Im Gegenteil, die Sommertriebe aus den Zapfen wachsen aufrechter in die untersten Drahtpaare hinein, die Traubenzone bleibt bis zur Lese lockerer und besser belüftet. Unterschiede im Botrytisbefall gibt es praktisch keine.
Neben vielen anderen Fragen, ist die Frage des Verhaltens der Augenfruchtbarkeit und in weiterer Folge der Stockerträge aber eine zentrale! Es ist bekannt, dass es hier größere Sortenunterschiede gibt. Nach mehreren Prüfjahren kann festgestellt werden, dass die Sorten Morillon und Blauer Wildbacher sensibler reagierten und Rückgänge der Stockerträge um 15 bis 45% zu verzeichnen waren.
Eine Herausforderung stellt der mechanische Vorschnitt in Weingärten mit seitlichen Hagelnetzen dar, der im Winter bei aufgerollten Netzen nicht oder nur sehr schwierig bewerkstelligt werden kann. Lösen kann man dieses Problem mit der Umkehrung des Hagelnetzsystems. Die fixe Befestigung erfolgt unten, die Netze werden im oberen Bereich der Laubwand mit Karabinern eingehängt. Im Herbst nach der Ernte wird das Netz ganz einfach nach unten eingerollt. Bei den Laubarbeiten hängt man die Karabiner aus, rollt es nach unten ein oder lässt das Netz ganz einfach nach unten fallen.
Durch den Einsatz des mechanischen Vorschneiders kann beim Zapfenschnittsystem für Schnitt-, Ausnehm- und Bindearbeiten mit einer Arbeitszeitersparnis von 40-60% im Vergleich zum Bogenschnitt gerechnet werden. Für die erste Laubarbeit (Ausbrocken) müssen beim Zapfenschnitt allerdings pro Hektar etwa 8 Arbeitsstunden mehr kalkuliert werden.