Autor: Jiri Sedlo

Mitglieder des Vereins “PIWI International” aus Deutschland, Österreich, der Tschechischen Republik, der Schweiz, Italien, Polen und den Niederlanden trafen sich in Neustadt an der Weinstraße zur Jahreshauptversammlung. Die meisten von ihnen sind Winzer, die (manchmal sogar ausschließlich) PIWI-Rebsorten anbauen.
Am Freitagmorgen fand eine Vorstandssitzung der Organisation statt, gefolgt von einem Besuch der Rebschule Freytag, die einer der Hauptlieferanten dieser resistenten Rebsorten ist und den Teilnehmern einen Einblick in ihre Arbeit und interessante Informationen über Züchtung und Vermehrung gab (Abbildung 1).
Abbildung 1: Volker Freytag (links) bei einer Präsentation auf seinem Hof

Besichtigung bei Volker Freytag

Der Nachmittag auf dem “Weincampus Neustadt” der Hochschule Ludwigshafen stand unter dem Motto “Wissenschaft trifft Praxis”. Vier Fachvorträge beleuchteten das Spektrum von der Zucht bis zum Weinverkauf, hier eine kurze Zusammenfassung:

– Forschung zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit von Unternehmen und PIWI-Sorten: Überraschende Erkenntnisse und Perspektiven (Prof. Dr. Marc Dressler, Weincampus Neustadt)

Ein sehr interessanter Vortrag mit vielen Daten: Vor mehr als acht Jahren bewerteten die deutschen Winzer die PIWI-Sorten in Bezug auf ihren Beitrag zur Ökologie an zehnter Stelle bei verschiedenen Kriterien, z.B. Wasser, Energie, Treibhausgase, Düngung, Bodenpflege… Weniger Bodenverdichtung und weniger Pestizide waren erwünscht, aber nicht die PIWI-Sorten. Heute ist die Situation anders, in ausgewählten deutschen Supermärkten werden Weine aus PIWI-Sorten zu Preisen zwischen 5 und 9 €/0,75 l verkauft. Auf dem deutschen Markt werden Weine aus PIWI-Sorten inzwischen für durchschnittlich 9,53 €/Flasche verkauft (n = 1119), was der häufigsten Preisspanne von 5 bis 8 € (über 40 %) entspricht, gefolgt von einer Spanne von 8 bis 10 € (über 25 %). 78 % der Weine werden als Rebsortenwein verkauft, 12 % als PIWI-Cuvée und 10 % als PIWI + klassische Rebsortencuvée.

Dies spiegelt sich in dem derzeitigen Interesse der Winzer an den PIWI-Sorten wider. Nur 40 % der Landwirte sind nicht daran interessiert, sie anzubauen, 21 % planen den Anbau und 39 % pflanzen sie bereits an. Ökologische Landwirte sind mehr an ihnen interessiert. Von den Betrieben, die sie bereits anbauen, wollen 60 % ihre Anbaufläche vergrößern und nur 6 % ihre Anbaufläche verkleinern (meist diejenigen, die nur die Sorte Regent anbauen). Auf dem Markt gibt es eine wachsende Zahl von PIWI-Produkten, Herstellern und Sorten.
Für die Sorten Pinot blanc und Calardis blanc in Biobetrieben wurde ein Vergleich zwischen den Kosten für den Rebschutz und dem Traubenertrag durchgeführt. Bei Pinot blanc und Calardis blanc betrugen die durchschnittlichen Schutzkosten 944 €/ha bzw. 435 €/ha, während der Traubenertrag bei CB 2,7 Mal höher war.

– Reduzierter Schutz von PIWI-Rebsorten (Prof. Dr. Jochen Bogs, Weincampus Neustadt)

Die Präsentation konzentrierte sich auf die molekularen Mechanismen der Resistenz und erläuterte, welche Gene für die Resistenz gegen den Falschen Mehltau und den Echten Mehltau der Rebe verantwortlich sind. Prof. Bogs wies darauf hin, dass es auch Unterschiede in der Resistenz der verschiedenen PIWI-Sorten gibt, z.B. hat Regent einen Resistenzlocus, Sauvignac hat zwei, während Müller Thurgau keinen hat. Dies spiegelt sich dann in der Widerstandsfähigkeit der Rebstöcke wider. Wichtig ist auch, wie schnell die Pflanze den Angriff des Krankheitserregers erkennt; hierfür werden verschiedene Arten und eine unterschiedliche Anzahl von Rezeptoren innerhalb jedes Resistenzlocus verwendet, so dass die Resistenz nicht allein durch die Anzahl der Resistenzloci bestimmt wird.
Die tatsächliche Anzahl der Behandlungen mit einer bestimmten PIWI-Sorte hängt vom Infektionsdruck ab. Im Versuch 2021, einem Jahr mit extrem hohem Mehltaudruck in Deutschland, benötigten die getesteten PIWI-Sorten 0-4 Behandlungen, während die konventionellen Sorten 14 Behandlungen benötigten, um das gleiche Ergebnis zu erzielen. Der Referent wies darauf hin, dass der vollständige Verzicht auf den Schutz bei PIWI-Sorten zu einem Verlust der Resistenz führt und daher in der Praxis nicht sinnvoll ist.

– Wissenstransfer zu PIWI-Sorten im Rahmen der Schülerprojektwoche “Nachhaltiger Weinbau” (Karin Franzen, Institut für Weinbau und Oenologie, DLR Rheinpfalz)

Frau Franzen stellte das Bildungsprojekt für DLR-Schüler vor, das ein Folgeprojekt des VITIFIT-Projekts ist und die junge Generation auf den nachhaltigen Weinbau vorbereiten soll.

– Stilistik der PIWI-Weinsorten: Verbraucher- und Expertenpräferenzen, einschließlich einer vergleichenden Verkostung (Prof. Dr. Ulrich Fischer et al., DLR-Institut für Weinbau und Oenologie Rheinpfalz)

Im Rahmen des VITIFIT-Programms werden Verbraucherstudien durchgeführt, die am besten geeigneten Weinbereitungsmethoden untersucht, der Wein detailliert beschrieben und ausgewählte Aromastoffe analysiert. In einem praktischen Vortrag konzentrierte sich Prof. Fischer auf die Beschreibung und den Vergleich der verschiedenen Weinbereitungsmethoden der PIWI-Sorten, deren Proben verkostet wurden. Calardis blanc zum Beispiel wurde mit einem Ertrag von 19 t/ha zu einem Schaumwein verarbeitet, der dem Weißburgunder oder dem Riesling ähnelt. Der Cabernet blanc hingegen erbrachte 20 t/ha im Jahr 2021 und 14 t/ha in den beiden Vorjahren, wobei der durchschnittliche Zuckergehalt in diesen drei Jahren zwischen 85-100 Grad Oe” lag.
Die Verbraucher bewerten Weine aus PIWI-Sorten auf die gleiche Weise wie Weine aus traditionellen Sorten, d. h. in verdeckten Verkostungen. Auch die deutschen Verbraucher bevorzugen die Fruchtigkeit, die Süße, den Körper, die tropischen Früchte und die blumigen Aromen der PIWI-Sorten. Außerdem wurden drei unterschiedlich vinifizierte Proben von Laurot vorgestellt. Prof. Fischer (Abbildung 2) kam zu dem Schluss, dass das Potenzial der PIWI-Sorten im Hinblick auf die notwendigen Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit enorm ist.  Und man muss sich nicht mehr davor verstecken, den Geschmack von PIWI Weinen mit traditionellen Sorten zu vergleichen.
Abb. 2: Prof. Dr. Ulrich Fischer bei seinem Vortrag

Vortrag Dr. Fischer

Auf der Jahreshauptversammlung am Samstag (Abbildung 3), die auch online stattfand, berichtete Präsident Alexander Morandell (I) über die zahlreichen Aktivitäten des Vereins im vergangenen Jahr; der Vorstand selbst tagte 14 Mal online und einmal physisch, traditionell in Prien (D). Zu den wichtigsten Aktivitäten des Verbandes gehörten das neue Format des PIWI International Wine Challenge und die Ausarbeitung der neuen Satzung der Organisation. Dies soll PIWI International ermöglichen, als Dachverband für die nationalen Verbände zu fungieren.
Abb. 3: Ein Teil der Teilnehmer an der Generalversammlung am 12. November 2022

Zuhörer im Weincampus

Die Jahreshauptversammlung bestätigte die derzeitigen Vorstandsmitglieder in ihren Ämtern bei der Wahl. Nur der ehemalige Präsident Josef Engelhart (D) schied nach mehreren Amtszeiten auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand aus. Der derzeitige Präsident Alexander Morandell dankte ihm für seinen langjährigen Einsatz für PIWI International. Er steht weiterhin für Beratungen in seinem Spezialgebiet, dem Anbau von PIWI-Rebsorten, zur Verfügung. Sein Platz in diesem Gremium wurde von Heinrich Leutenberger (D) eingenommen, der das Amt des Protokollführers übernommen hat. Revisor Edwin Locher wurde in seinem Amt bestätigt und Ulrich Frizlen wurde einstimmig zum zweiten Revisor gewählt.
Es folgte eine lebhafte Debatte über die Verwendung des Logos von PIWI International, das als Marke gestärkt und auch von den Mitgliedern häufiger verwendet werden soll:

PIWI-Logo-140

Im Anschluss an die Jahreshauptversammlung stellte Dr. Oliver Trapp die PIWI-Sorten, die in den letzten Jahrzehnten am Julius Kühn-Institut (JKI) in Geilweilerhof gezüchtet wurden, in Theorie und Praxis vor (Abbildung 4).
Abbildung 4: Dr. Oliver Trapp vom JKI hält einen Vortrag

Oliver Trapp Mikrovinifikation

Der sehr fachkundige Vortrag über die Resistenzzüchtung bei Weinreben enthielt auch eine interessante allgemeine Einführung, in der er einige Daten nannte:
Der deutsche Weinbau wird nicht einmal auf dem gesamten 1 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche betrieben, verbraucht aber 30 % der in der Landwirtschaft eingesetzten Fungizide. Dies bedeutet, dass widerstandsfähigere Reben angebaut werden müssen. Auch angesichts des Klimawandels werden neue Sorten benötigt. In Deutschland gab es zwischen 1990 und 2019 28 Jahre mit überdurchschnittlichen Temperaturen (im Vergleich zum Durchschnitt 1961-1990) und nur 2 Jahre mit leicht unterdurchschnittlichen Temperaturen (1996 und 2010). Dies führt zu einem früheren Einsetzen der einzelnen Phänophasen, gefolgt von Frostschäden im Frühjahr und Sonnenstich. Auch der Säuregehalt der Weine der traditionellen Sorten nimmt ab.
In Deutschland sind derzeit 36 PIWI-Sorten im Sortenregister eingetragen und weitere 40 PIWI-Sorten sind zum Anbau zugelassen. Insgesamt werden sie (2021) auf 3 283 ha angebaut, was etwa 3 % der Rebfläche entspricht. Die jährliche Zunahme der PIWI-Sorten ist nicht sehr dynamisch, aber alte PIWI-Sorten werden durch neue ersetzt. Regent zum Beispiel belegte 2005 2 100 ha und 2021 nur noch 1 600 ha. Sämlinge von PIWI-Sorten sind in Deutschland für die Aussaat im Jahr 2023 nicht mehr verfügbar.
In den letzten Jahren hat das JKI mit dem INRAe Colmar zusammengearbeitet. Aus dieser Zusammenarbeit sind neue Sorten mit höherer Resistenz (Artaban und Vidoc) für Südfrankreich hervorgegangen, die nun auf ihre Eignung für Deutschland geprüft werden.
Im Anschluss an die zweite Hälfte des Vortrags fand eine geführte Verkostung der auf dem Geilweilerhof gezüchteten PIWI-Sorten statt. Die PIWI-Sorten Villaris, Felicia, Calardis blanc, Calardis Musqué, Calandro und die vielversprechenden Kreuzungen Gf.2010-011-0048 und Gf.2004-043-0010 wurden nacheinander vorgestellt und beschrieben.

Nach dem Abendessen gab es Gelegenheit, den Gewinnern des Internationalen PIWI-Weinwettbewerbs ihre Diplome zu überreichen und eine Reihe ausgezeichneter Weine zu verkosten. Die preisgekrönten Erzeuger und alle Ergebnisse sind auf der Webseite aufgeführt
https://piwi-international.org/piwi-international-wine-challenge-2022/.

Am Sonntagmorgen wurde die Veranstaltung mit einem Besuch des Weinguts Mohr-Gutting in Neustadt-Duttweiler abgeschlossen (Abbildung 5). Hier wurde den Teilnehmern ein Bio-Weingut vorgestellt, das seit Jahren mit PIWI-Sorten arbeitet.

Abbildung 5: Präsentation des Eigentümers im Weingut Mohr-Gutting in Neustadt-Duttweiler

Weingut Mohr-Gutting

PIWI International ist heute ein starkes internationales Netzwerk, das nicht nur in den traditionellen europäischen Weinbauländern vertreten ist, sondern auch in Dänemark, England, Schweden und sogar Norwegen sowie in den USA und Kanada expandiert.

Bearbeitet von Jiří Sedlo, Fotos PIWI International Archiv