Klaus Riexinger
Von Klaus Riexinger   Mo, 26. Oktober 2020 um 14:26 Uhr

Südwest

Baden-Württemberg will im Weinbau eine große Menge chemischer Spritzmittel sparen – gesetzlich verankert. Helfen sollen Sorten, die resistent gegen Schädlinge sind. Gezüchtet werden sie in Freiburg.

Traubenbild.Christoph Schmidt

  • Auch der Weinbau muss umdenken – und vermehrt auf Spritzmittel verzichten Foto: Christoph Schmidt (dpa)

Der Bioweinanbau in Baden tut sich schwer. Bislang wird nur auf sechs Prozent der Fläche auf chemische Spritzmittel verzichtet, während es bundesweit fast zehn Prozent sind. „Das Üble in Baden ist die Verbindung der warmen und der feuchten Witterung im Zuge des Klimawandels“, sagt Paulin Köpfer, Vorsitzender von Ecovin Baden. Der Verband vertritt die Interessen der Ökowinzer. Die Reben seien deshalb in manchen Jahren starkem Pilzbefall ausgesetzt. Während konventionell arbeitenden Winzern zum Schutz das ganze Arsenal chemischer Spritzmittel zur Verfügung steht, dürfen Biowinzer nur eine begrenzte Menge Kupfer einsetzen. Das kann in schwierigen Jahren zum Problem werden. Die Zahl der Biowinzer in Baden war vor einigen Jahren deshalb sogar rückläufig. Vor 20 Jahren galt Baden noch als führend im Ökoweinbau.


Mit dem in diesem Sommer verabschiedeten Biodiversitätsstärkungsgesetz hat sich das Land unter Zugzwang gesetzt. Bis 2030 sollen 30 bis 40 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe auf Ökolandbau umgestellt sein und bis zu 50 Prozent chemisch-synthetischen Spritzmittel eingespart werden. Dazu muss auch der Weinbau seinen Beitrag leisten.

Erreichen will das Ministerium für Ländlichen Raum (MLR) das Ziel mit einem regional-marktwirtschaftlichen Ansatz: Die steigende Nachfrage nach Bioprodukten soll bestmöglich mit Produkten aus heimischer Erzeugung bedient werden. Im Weinbau setzt Landesagrarminister Peter Hauk (CDU) seine Hoffnung auf die Forschung des landeseigenen Staatlichen Weinbauinstituts in Freiburg (WBI). Insbesondere den am WBI gezüchteten pilzwiderstandsfähigen Rebsorten (Piwis) soll dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Mit diesen robusten Neuzüchtungen lassen sich durchschnittlich 70 Prozent Spritzmittel einsparen.

Oft erleben die Züchter nicht, was aus ihren Züchtungen wird

Neu ist diese Erkenntnis nicht. Manche Piwis stehen seit Jahrzehnten zur Verfügung. Doch nun muss der Weinbau liefern. Der gesellschaftliche Druck ist dabei nicht zu unterschätzen, wie die breite Unterstützung für die radikalen Forderungen des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ zeigte. Inzwischen registriert WBI-Direktor Rolf Steiner aber ein behutsames Umdenken. „Es tut sich was“, sagt Steiner. Immer mehr Winzer – auch konventionell wirtschaftende – interessierten sich für Piwis. Neben der Natur gehe es ihnen auch um ihre eigene Gesundheit und ums Geld. Denn die Chemie sei teuer. Für einen Hektar Reben müsse pro Jahr mit 1000 Euro gerechnet werden.

Das Problem bleibt aber die Zurückhaltung der Kunden, obwohl sich mit Piwis längst beachtliche Qualitäten erzielen lassen. Aus diesem Grund stärkt das Ministerium jetzt das Marketing und bewilligt für eine entsprechende Stelle am WBI für zwei Jahre 240.000 Euro. „Etablierung von Weinen aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten auf dem Markt“ nennt sich das Aktionsprogramm. Am WBI hatte man bereits die Sorge, dass der Trend in Baden verschlafen wird. Denn seit einiger Zeit gehören der französische und italienische Weinbau zu den Hauptabnehmern der Freiburger Züchtungen.

Steigt der Anteil der Neuzüchtungen?

Das WBI kennt aus eigener Erfahrung beide Seiten des Geschäfts: 15 Prozent der eigenen 37 Hektar Reben werden ökologisch bewirtschaftet, der Rest konventionell. Ziel sei es, den Bioanteil weiter zu steigern – und zwar wie bisher ausschließlich mit Piwis, betont Steiner. Er ist überzeugt, dass der Anteil der Neuzüchtungen in den nächsten Jahren kontinuierlich steigt. Vermutlich auf Kosten von Sorten wie Riesling und Müller-Thurgau, die in Süddeutschland zunehmend dem Klimawandel zum Opfer fallen.

Rebzüchtung durch Kreuzungen ist mühsam und langwierig. Von 10.000 Samen werden nach 20 Jahren höchstens drei als neue Piwi-Sorte zugelassen. Meist erlebten die Züchter nicht einmal in ihrer aktiven Zeit, was aus ihren Züchtungen werde, sagt Steiner. „Umso bewundernswerter ist ihr Einsatz.“ Manchmal erweisen sich Zuchterfolge erst in der Praxis als Flop. So hatten die Freiburger mit dem Cabernet Carbon einen Rotwein kreiert, der international Anklang fand. Die Sorte ist aber so ertragsschwach, dass man für eine Flasche 50 oder 60 Euro verlangen müsste, um damit Geld zu verdienen, sagt Staatsweingutleiter Bernhard Huber. Das sei utopisch. Schweren Herzens ließ man die Reben roden. Dennoch scheint die 100-jährige Züchtungsgeschichte der widerstandsfähigen Sorten am WBI nun endlich Früchte zu tragen.

Hintergrund: 100 Jahre Forschung für den Weinbau

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag der Weinbau in Baden am Boden. Schuld waren Rebkrankheiten und Schädlinge. Als nach dem Ersten Weltkrieg wegen des grassierenden Arbeitskräftemangels weitere Rebflächen aufgegeben wurden, beschloss der Badische Landtag, in Freiburg ein Weinbauinstitut (WBI) zu gründen. Ziel war es, den Winzern im Kampf gegen Rebkrankheiten zu helfen. In den 100 Jahren seiner Existenz hat das WBI einige Erfolge erzielt, zum Teil mit weltweiter Bedeutung. Dazu gehört die Bekämpfung des Traubenwicklers, eines Schmetterlings, der Trauben und Blüten befällt. 1911 und 1912 lag der Schaden durch das Insekt bei bis zu 80 Prozent der Ernte. Zusammen mit dem Chemiekonzern BASF entwickelte das WBI eine Pheromonfalle: Mit Hilfe künstlich austretender Pheromone werden die Schmetterlingsmännchen so verwirrt, dass sie die Weibchen zur Paarung nicht finden. Diese biologische Schädlingsbekämpfung führte dazu, dass im Weinbau kaum noch Insektizide eingesetzt werden. Die Forschung dazu begann 1937. Im Einsatz sind die Fallen seit 1987.

Ebenfalls in Freiburg erfunden wurde das Prognosesystem Meteo, das Winzern genau anzeigt, wann Pilzbefall droht, und wann sie – wohldosiert – dagegen vorgehen sollten. Eine der Hauptaufgaben des WBI ist die Rebzucht: Pflanzen, die robust sind und schmackhafte Früchte bringen, werden für den Markt vermehrt. Das WBI gilt als größter Klonzüchter Deutschlands. „FR 1801“ vom WBI ist die am weitesten verbreitete Spätburgunderrebe Deutschlands. Auch bei der Züchtung pilzresistenter Sorten ist das WBI nach Umfang und Erfahrung führend.


„Plötzlich werden die Piwis für alle interessant“

Von Klaus Riexinger

Mo, 26. Oktober 2020

Südwest

BZ-INTERVIEWmit Ecovin-Chef Paulin Köpfer über Sorgen von Bioweingütern und das Umsteuern der Landesregierung.

  • Paulin KöpferPaulin Köpfer Foto: Gerold Zink

Vor eineinhalb Jahren beklagte sich der Bioweinverband Ecovin Baden noch, dass das Land zu wenig für die umweltschonenden pilzwiderstandsfähigen Reben unternehme. Mit dem Eckpunktepapier zur Stärkung der Biodiversität habe sich das nun komplett geändert, sagt Ecovin-Vorsitzender Paulin Köpfer im Gespräch mit Klaus Riexinger.

BZ: Herr Köpfer, nach dem nassen Sommer 2016 und Ernteausfällen wegen Pilzbefalls steckte der Bioweinanbau in einer Existenzkrise. Wie sieht es heute aus?
Köpfer: Was den Pilzdruck betrifft, waren die darauffolgenden Jahrgänge 2017 bis 2020 entspannt. Die Problematik aber bleibt. Wir sind jedes Jahr aufs Neue angespannt, weil wir nicht wissen, was auf uns zu kommt. Seit dem Verbot von Phosphonat für den ökologischen Weinanbau fehlt uns ein elementares Schutzmittel gegen den falschen Mehltau – der Peronospora.

BZ: Und wie sieht die Mitgliederentwicklung bei Ecovin aus?
Köpfer: Wir wachsen momentan nicht sehr stark, weil vielen der falsche Mehltau ein zu großes Risiko ist. 2016 haben wir deswegen fünf Mitgliedsbetriebe verloren. Zurzeit haben wir 75 Mitglieder.

BZ: Wie realistisch ist es, dass bis 2030 30 bis 40 Prozent des Weinbaus auf Bio umgestellt sind?
Köpfer: Das ist nicht ganz einfach. Im Wesentlichen wird es von zwei Dingen abhängen: Vielleicht bewegt sich die EU doch noch beim Thema Phosphonat-Zulassung, der zweite Punkt ist: Wie kommen wir bei den Piwis weiter?

BZ: Das Land setzt bei den Piwis nicht auf Verbote, sondern auf den Markt. Ist das die richtige Strategie?
Köpfer: Voll und ganz. Die Verbände des ökologischen Landbaus (AöL) haben diese Strategie von der Politik seit Jahren gefordert. Durch das Eckpunktepapier der Landesregierung haben die Forderungen plötzlich Rückenwind bekommen.

BZ: Sowohl das Ministerium Ländlicher Raum als auch der Weinbauverband haben ihre Vorbehalte gegen Piwis aufgegeben. Bei der Bio-Offensive des Landes spielen die Piwis sogar eine zentrale Rolle. Ein Erfolg für Sie, oder?
Köpfer: Das ist großartig, auch das geht aber auf unsere Arbeit in der AöL zurück. Wir weisen seit Jahren auf die Bedeutung der Piwis im biologischen Anbau hin. 2016 haben wir gesagt: Wenn es schon kein Phosphonat gibt, dann müssen wir was für die Piwis tun.

BZ: Was dann drei Jahre später geschah.
Köpfer: Ja. Das ist der entscheidende Punkt: Weil die Landesregierung die Pflanzenschutzmittel reduzieren muss, werden Piwis plötzlich für den kompletten Weinbau interessant. Ecovin ist dazu schon lange im Gespräch mit dem Ministerium Ländlicher Raum, dem Staatlichen Weinbauinstitut und dem Badischen Weinbauverband. Wir sind uns einig, dass man die Piwis bewerben muss. Erst wenn die Nachfrage da ist, lohnt sich der Anbau der neuen Sorten auch wirtschaftlich. Dass wir Superqualitäten mit diese Sorten erzeugen können, haben wir unter Beweis gestellt. Jetzt muss das Interesse der Konsumenten geweckt werden. Da sehe ich einen großen Nachholbedarf.

 Paulin Köpfer, 62, Betriebsleiter im Weingut Zähringer in Heitersheim, ist seit 1991 Vorsitzender von Ecovin Baden.

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